Ich bin Tashunka Witko. Bei den Weißen nennt man mich Crazy Horse Tashunka Witko. Mein Name mag für sie seltsam klingen, vielleicht sogar wild. Aber er bedeutet nicht „verrücktes Pferd“ im Sinne des Irrsinns. Er spricht von einem Pferd, das im Kampf so wild, so unbändig tanzt, dass es nicht zu zähmen ist – ein Geist, der sich nicht unterwerfen lässt.
Ich wurde um 1840 geboren, als der Wind noch frei über die großen Ebenen strich und die Büffelherden den Boden erzittern ließen. Mein Vater war ein Oglala-Lakota, meine Mutter gehörte den Brulé an. Schon als Kind war ich anders, ruhig, nachdenklich. Ich zog mich oft zurück, um allein zu sein, um die Geräusche der Natur zu hören, die Botschaften der Geister zu empfangen. Ich sah die Welt mit den Augen eines Kriegers, noch bevor ich meinen ersten Kampf bestritt. Ich sah, wie alles miteinander verbunden war: der Himmel, die Erde, die Tiere, die Menschen. Und ich wusste: Dieses Gleichgewicht durfte nicht gestört werden. Der Name Crazy Horse Tashunka Witko wurde mit dieser Vision klarer.
Meine Jugend war geprägt vom Leben der Lakota. Wir jagten, wir zogen mit den Jahreszeiten, wir ehrten die Alten und lehrten die Jungen. Ich lernte zu reiten, zu jagen, die Spuren zu lesen. Vor allem aber lernte ich, mein Volk zu lieben und zu verteidigen. Ich beobachtete, wie die weißen Siedler, die „Wasichu“, immer zahlreicher wurden. Sie kamen wie ein Fluss, der über die Ufer tritt, und brachten eine Flut von Veränderungen mit sich – Zäune, Krankheiten und Versprechungen, die so leer waren wie ein trockener Flussbett.
Mein erster großer Visionstraum kam zu mir, als ich noch jung war. Ich sah einen Krieger auf einem Pferd, durch Hagel und Donner reitend, unverwundbar. Er trug keine Kriegsbemalung, nur einen kleinen Stein hinter dem Ohr, eine Feder im Haar. Die Botschaft war klar: Ich sollte nie meine eigene Stärke suchen, sondern mich dem Großen Geist hingeben. Wenn ich nichts für mich selbst begehrte, sondern nur für mein Volk kämpfte, würde ich unbesiegbar sein. Diese Vision formte mich. Ich wollte keine Trophäen, keinen persönlichen Ruhm. Ich wollte nur die Freiheit meines Volkes bewahren.
Die Kriege kamen, unaufhaltsam wie ein Wintersturm. Der Fetterman-Kampf 1866, als wir eine ganze Kavallerieeinheit vernichteten, war ein harter Schlag für die Weißen und ein Beweis unserer Stärke. Red Cloud verhandelte später, aber ich vertraute ihren Verträgen nie. Ich sah, dass sie nur ein Mittel waren, um uns Zeit zu stehlen, um uns immer weiter zurückzudrängen. Diese Misstrauen von Crazy Horse Tashunka Witko war berechtigt.
Meine größte Schlacht war am Little Bighorn, im Juni 1876. Die Weißen nannten es Custer’s Last Stand. Wir, die vereinten Lakota und Cheyenne, kämpften um unser Überleben, um unsere Art zu leben. Ich führte meine Krieger in den Kampf, mein Herz erfüllt von Zorn und dem Willen zu verteidigen. Der Große Geist war an diesem Tag mit uns. Die Soldaten fielen wie die Büffel vor unseren Pfeilen. Wir gewannen die Schlacht, aber wir wussten, dass wir den Krieg nicht gewinnen konnten. Es war ein kurzer Sieg in einem langen, bitteren Sterben, ein Moment von Crazy Horse Tashunka Witko.
Nach dem Little Bighorn wurde der Druck unerträglich. Die Armee jagte uns unermüdlich. Unsere Büffelherden wurden dezimiert, unsere Winterlager angegriffen. Hunger und Kälte wurden zu unseren größten Feinden. Meine Krieger, meine Familie, sie litten. Ich wollte sie nicht weiter in einen aussichtslosen Kampf führen.
Im Frühling 1877 ergab ich mich. Crazy Horse, oder Tashunka Witko, wie mein Name auch lautet, ritt ins Fort Robinson, mein Pferd müde, mein Geist schwer, aber ungebrochen. Ich hoffte auf Frieden, auf ein Land für mein Volk, wo wir in Ruhe leben könnten. Aber die Weißen verstanden meine Art von Frieden nicht. Sie sahen in mir immer noch einen unbezwingbaren Feind, eine Bedrohung.
Am 5. September 1877 wurde ich getötet. Nicht im Kampf auf dem Schlachtfeld, sondern durch einen Bajonettstich, als ich angeblich Widerstand leistete. Sie führten mich nicht zum Rat, wie sie versprochen hatten, sondern ins Gefängnis. Ich wusste, dass es ihr Plan war, mich zu brechen. Aber sie konnten meinen Geist nicht brechen. Mein letzter Atemzug war ein Ruf nach Freiheit.
Meine Eltern begruben mich an einem geheimen Ort, irgendwo in den Black Hills, unserem heiligen Land. Es gibt kein Grab, das man besuchen kann, keine Statue, die meine Asche ehrt. Und das ist gut so. Denn mein Geist lebt in den Bergen, im Wind, in den Geschichten meines Volkes.
Ich war ein Krieger der Lakota. Ich kämpfte nicht für Macht, sondern für unser Land, unsere Kultur, unsere Kinder. Ich habe nie gelernt, mich zu verbiegen. Und ich habe nie meinen Traum aufgegeben, dass meine Leute in Freiheit leben können. Ich bin Crazy Horse Tashunka Witko, und mein Geist reitet noch immer frei über die Ebenen, eine ewige Erinnerung an das, was verloren ging, und an das, was niemals sterben wird: der unbezwingbare Wille zur Freiheit.